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«Jetzt entstehen die erfolgreichen Player der nächsten Dekade.»


von Daniel Kölleatedo Content Team am 24.06.2020
Themen: Unternehmensentwicklung

Peter Urs Naef ist seit der Gründung Präsident des Verwaltungsrates der atedo AG und bildet das strategische Gewissen im Hintergrund. Peter berät namhafte Schweizer Unternehmen in Entwicklungsfragen, hat diverse Aufsichtsmandate inne und begleitet Start-up-Unternehmen. Im Interview mit André Fischer erklärt er, warum Führungskräfte jetzt nicht nur auf die Kostenbremse drücken sollten, sondern vielmehr das Momentum nutzen können, um gemeinsam mit den Mitarbeitenden in einem kollaborativen Veränderungsprozess neue Ertragsquellen zu erschliessen.

«Jetzt entstehen die erfolgreichen Player der nächsten Dekade.» | Mond «Jetzt entstehen die erfolgreichen Player der nächsten Dekade.» | Mond klein
peter urs naef

Peter, wie hast du die letzten Monate persönlich erlebt und welche zentralen Erkenntnisse hast aufgrund der Coronakrise dazugewonnen?

Einerseits bin ich dankbar, in einem Land leben und arbeiten zu dürfen, welches einen gesunden Staatshaushalt hat. Ich bin guten Mutes, dass wir dadurch den Weg schneller aus der Krise schaffen als andere Länder. Es ist durchaus möglich, dass ein Umdenken in der Produktion unserer Güter stattfindet und sich neue Chancen durch die Herstellung vor Ort ergeben, um die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern. Auf der Seite der Unternehmen ist man noch zu stark mit der Meisterung der aktuellen Herausforderungen beschäftigt – spätestens jetzt ist es an der Zeit, die Zukunft anzugehen und Veränderungsprozesse hinsichtlich der neuen Normalität zu gestalten, anzustossen und zu nutzen. Uns bietet sich aktuell ein einmaliges Momentum und ich bin überzeugt, dass jetzt die erfolgreichen Player der nächste Dekade geboren werden.

Du stufst also gegenwärtig die Offenheit und Bereitschaft für Veränderungsprozesse höher ein.

Absolut. Mitarbeitende sind aufgerüttelt und wissen innerlich, dass sich etwas ändern wird, sie können es jedoch nicht allein und von sich aus definieren. Auf der anderen Seite sehnen sie sich jedoch auch zurück nach der gewohnten Umgebung und den Abläufen vor der Pandemie. Wer in der Führung das erwähnte Momentum nutzen will, zieht jetzt am besten seine Mitarbeitenden mit ein und peilt konkrete Veränderungsschritte an. Dies umfasst auf der passiven Seite die Kostenbasis, um Investitionen in die Transformation zu ermöglichen. Auf der proaktiven Seite die Innovation, den Speed in der Adaptation, die Bildung einer neuen Wertebasis und das Schaffen von neuen Netzwerken. Also mit dem Restart nach dem Lockdown einen Neustart wagen unter dem Motto «We create the New Normal».

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Wie lange schätzt du, dass Unternehmen dieses Momentum nutzen können?

Schwer zu sagen. Ich schätze Ende Jahr ist das Momentum vorbei. Danach geraten wir wohl schneller, als uns lieb ist, wieder ins alte Fahrwasser. 

Stichwort neue Normalität. Viele Experten prophezeien teils radikale Änderungen in der Art und Weise, wie Unternehmen in der Zukunft geführt werden müssen. Wie lautet deine Einschätzung?

Ich halte wenig von radikalen Prophezeiungen. Die Medien leiden aufgrund des Lockdowns unter Newsmangel und bringen deshalb gerne prononcierte Äusserungen von Experten. Trends wie die Neugestaltung der Arbeitsumfelder, die Digitalisierung der Kommunikation und die agilere Gestaltung der Zusammenarbeit waren bereits vielerorts angedacht oder in der Umsetzung – in diesen Themen wird es mehr Tempo brauchen, denn jetzt werden diese und weitere Massnahmen matchentscheidend – «Sence of Urgency» ist kurzfristig eine der Schlüsselkompetenzen. Wer jetzt schneller die Chancen der Transformation nutzt, verschafft sich Wettbewerbsvorteile. Das bedingt jedoch auch ein Umdenken in der Unternehmensführung und in der Zusammenarbeit.

Welche Unternehmen und Branchen in der Schweiz haben die Transformation aus deiner Sicht in den vergangenen Jahren erfolgreich lanciert und welche eher nicht?

Es gibt in der Schweiz Vorzeigebeispiele für erfolgreiche Transformationsprozesse, zum Beispiel jene der Swisscom. Rückläufige Einnahmequellen wurden erfolgreich durch neue Einnahmequellen kompensiert. Andere Industrien – darunter die Medienwirtschaft – haben die vergangenen Jahre weniger durch Innovation und vielmehr durch Sparen, Konsolidierung und Zukäufe überlebt. In vielen Branchen ist jedoch das Sparen kaum mehr möglich und an diesem Punkt ist die echte Transformation und die Erschliessung neuer Geschäftsfelder wichtig. Wir stehen mitten in der Digitalisierung als industrielle Veränderung. Hier ergeben sich enorme Chancen für die Bildung der zukunftsträchtigen, neuen Erlösquellen.

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Gefragt sind somit noch mehr Geschwindigkeit, noch mehr Flexibilität, noch mehr Anpassungsfähigkeit und noch mehr Kreativität. Wie schaffen wir das in der Unternehmensführung?

Ich denke, dass vielen Managern, Unternehmern und Führungskräften viel zu wenig bewusst ist, dass Vertrauen ein entscheidender Faktor jeder Unternehmenskultur darstellt. Und die Unternehmenskultur wird nach wie vor zu wenig als integrales Instrument zur Strategieumsetzung verstanden und eingesetzt. Das müssen wir ändern. Denn Mitarbeitende stellen immer stärker die Sinnfrage in ihrer beruflichen Tätigkeit, auch in der Balance zu ihrem Privatleben. Das Arbeitsethos aus der Nachkriegszeit wird neu definiert. Wer in der Führung diese Entwicklung nicht ernst nimmt, wird es schwer haben, Talente als Experten für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Es braucht neue Formen der Zusammenarbeit, die Stärkung der Mitarbeitenden, die gemeinsame Definition der Werte, welche eine erfolgreiche Strategieumsetzung ermöglichen. Ich denke, dass sich dadurch auch die Rolle des Middle Managements verändern wird, wenn Mitarbeitende stärker in Entwicklungsprozesse miteinbezogen werden und mehr Verantwortung tragen.

Du erwähnst oft die Wichtigkeit der Involvierung der Mitarbeitenden in die Veränderungsprozesse. Das scheint dir am Herzen zu liegen.

Ja genau. Ich empfehle, gemeinsam mit den Mitarbeitenden ein Bild für die Zukunft der neuen Normalität zu kreieren. Dieses Zukunftsbild muss Sicherheit geben und klar fassbar sein. Es ist verführerisch einfach, zum alten Zustand zurückzukehren, der uns vermeintlich Sicherheit vermittelt. Das ist menschlich. Manager befassen sich oft lieber mit den Problemen, die ihnen vertraut sind, als mit den Lösungen, die offen sind. Doch in der jetzigen Situation kann die Abkürzung von heute zum Umweg von morgen werden. Wir sollten jetzt mutig Zukunftsbilder schaffen – mit Ideen, die uns begeistern. Dazu ist auch Träumen erlaubt, um gedankliche Grenzen zu überwinden. Wer Mitarbeiter aktiv in den Lösungsprozess involviert, hat den Vorteil, dass sie den Weg schon intus haben. Die Identifikation mit der Zukunft und somit mit dem Unternehmen steigt. Ich bin überzeugt, dass das nötige Know-how in den Unternehmen weitgehend vorhanden ist und mit einer geschickten Prozessmoderation hervorgebracht und genutzt werden kann. In der Zukunft wird die Methodenkompetenz aus meiner Sicht deshalb ebenso wichtig wie die Fachkompetenz. 

Du stellst patriarchische Führungsstile für die Zukunft eher in Frage?

Ja. Denn patriarchisch geprägte Führung und organisationale Systeme haben den entscheidenden Nachteil, dass die Mitarbeitenden wenig bis gar nicht mitdenken müssen und Fehler umso tiefgreifender sind. Hingegen schafft ein Bottom-up-Prozessinvolvement viel mehr gedankliche Kapazität. Risiken werden minimiert, weil mehr Wissen und Involvement automatisch zu einer Art Frühwarnsystem führen. Mehr Wissen steigert auch das Innovations-Potential. Mitarbeitende wollen sich heute vermehrt einbringen und die Veränderung mitgestalten. Wer Mitarbeitenden eine Stimme gibt, hat ausserdem den Vorteil in der Führung, dass er besser spürt, wo die Mitarbeitenden im Transformations-Prozess stehen und mit welcher Geschwindigkeit Massnahmen erfolgreich umgesetzt werden können. 

Welchen Gedankenanstoss möchtest du Führungskräften mit auf den Weg geben?

Unternehmen haben aus meiner Sicht die Pflicht, Mitarbeitende mit dem Ziel der Arbeitsmarktfähig zu fördern und auf diesem Weg zu bestärken, damit sie fachlich stets besser werden und persönlich wachsen können. Das ist mit eine zentrale Aufgabe der Personalentwicklung.

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