Gefragt sind somit noch mehr Geschwindigkeit, noch mehr Flexibilität, noch mehr Anpassungsfähigkeit und noch mehr Kreativität. Wie schaffen wir das in der Unternehmensführung?
Ich denke, dass vielen Managern, Unternehmern und Führungskräften viel zu wenig bewusst ist, dass Vertrauen ein entscheidender Faktor jeder Unternehmenskultur darstellt. Und die Unternehmenskultur wird nach wie vor zu wenig als integrales Instrument zur Strategieumsetzung verstanden und eingesetzt. Das müssen wir ändern. Denn Mitarbeitende stellen immer stärker die Sinnfrage in ihrer beruflichen Tätigkeit, auch in der Balance zu ihrem Privatleben. Das Arbeitsethos aus der Nachkriegszeit wird neu definiert. Wer in der Führung diese Entwicklung nicht ernst nimmt, wird es schwer haben, Talente als Experten für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Es braucht neue Formen der Zusammenarbeit, die Stärkung der Mitarbeitenden, die gemeinsame Definition der Werte, welche eine erfolgreiche Strategieumsetzung ermöglichen. Ich denke, dass sich dadurch auch die Rolle des Middle Managements verändern wird, wenn Mitarbeitende stärker in Entwicklungsprozesse miteinbezogen werden und mehr Verantwortung tragen.
Du erwähnst oft die Wichtigkeit der Involvierung der Mitarbeitenden in die Veränderungsprozesse. Das scheint dir am Herzen zu liegen.
Ja genau. Ich empfehle, gemeinsam mit den Mitarbeitenden ein Bild für die Zukunft der neuen Normalität zu kreieren. Dieses Zukunftsbild muss Sicherheit geben und klar fassbar sein. Es ist verführerisch einfach, zum alten Zustand zurückzukehren, der uns vermeintlich Sicherheit vermittelt. Das ist menschlich. Manager befassen sich oft lieber mit den Problemen, die ihnen vertraut sind, als mit den Lösungen, die offen sind. Doch in der jetzigen Situation kann die Abkürzung von heute zum Umweg von morgen werden. Wir sollten jetzt mutig Zukunftsbilder schaffen – mit Ideen, die uns begeistern. Dazu ist auch Träumen erlaubt, um gedankliche Grenzen zu überwinden. Wer Mitarbeiter aktiv in den Lösungsprozess involviert, hat den Vorteil, dass sie den Weg schon intus haben. Die Identifikation mit der Zukunft und somit mit dem Unternehmen steigt. Ich bin überzeugt, dass das nötige Know-how in den Unternehmen weitgehend vorhanden ist und mit einer geschickten Prozessmoderation hervorgebracht und genutzt werden kann. In der Zukunft wird die Methodenkompetenz aus meiner Sicht deshalb ebenso wichtig wie die Fachkompetenz.
Du stellst patriarchische Führungsstile für die Zukunft eher in Frage?
Ja. Denn patriarchisch geprägte Führung und organisationale Systeme haben den entscheidenden Nachteil, dass die Mitarbeitenden wenig bis gar nicht mitdenken müssen und Fehler umso tiefgreifender sind. Hingegen schafft ein Bottom-up-Prozessinvolvement viel mehr gedankliche Kapazität. Risiken werden minimiert, weil mehr Wissen und Involvement automatisch zu einer Art Frühwarnsystem führen. Mehr Wissen steigert auch das Innovations-Potential. Mitarbeitende wollen sich heute vermehrt einbringen und die Veränderung mitgestalten. Wer Mitarbeitenden eine Stimme gibt, hat ausserdem den Vorteil in der Führung, dass er besser spürt, wo die Mitarbeitenden im Transformations-Prozess stehen und mit welcher Geschwindigkeit Massnahmen erfolgreich umgesetzt werden können.
Welchen Gedankenanstoss möchtest du Führungskräften mit auf den Weg geben?
Unternehmen haben aus meiner Sicht die Pflicht, Mitarbeitende mit dem Ziel der Arbeitsmarktfähig zu fördern und auf diesem Weg zu bestärken, damit sie fachlich stets besser werden und persönlich wachsen können. Das ist mit eine zentrale Aufgabe der Personalentwicklung.